Marschgruppe Hürtgenwald

Hinter diesem Namen verbirgt sich eine Kameradschaft (rund um Otto Baumann) aus Witzenhausen-Gertenbach und Umgebung die „als kleine Kampfgemeinschaft an Übungsmärschen und dem alljährlichen Internationalen Hürtgenwaldmarsch“ teilnimmt [1]. Der vollständige Titel der Kameradschaft lautet „Kurhessische Marschgruppe Hürtgenwald im Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e. V.“. Der Name der Marschgruppe – Hürtgenwald – ist nicht zufällig gewählt. Der hunderte Kilometer von Witzenhausen entfernte Wald war Austragungsort einer der längsten und verlustreichsten Schlachten am Ende des Zweiten Weltkriegs [2], weshalb Neonazis dieses Massaker gerne zum letzten “heldenhaften Abwehrkampf” der Wehrmacht verklären [3].

Moratorium Hürtgenwald“

Die Witzenhäuser Marschgruppe heißt nicht nur Hürtgenwald, ihre Mitglieder fuhren bis 2020 auch regelmäßig zum sogenannten “Internationalen Hürtgenwaldmarsch”, welcher bis 2019 von geschichtsrevisionistischen Gruppen mit Bezug zu Neonazis organisiert wurde. Frank Möller [4], frei arbeitender Historiker, hat sich intensiv mit der jüngeren Geschichte im Hürtgenwald auseinander gesetzt und war unter anderem Koordinator des „Moratorium Hürtgenwald“. In seinem Text „Erinnerungskultur und Gegenwartsdeutung -Anregungen zum Weiterdenken“ [5] weist er darauf hin, dass die „in der Nordeifel gelegene Erinnerungslandschaft seit vielen Jahren in der Kritik steht: Verengung auf das militärische Geschehen, Ausblendung wesentlicher Aspekte der nationalsozialistischen Herrschaft, die Dominanz eines Veteranenverbands bei Gedenkpraktiken, sowie die geschichtsrevisionistische Politik mancher Heimat- und Geschichtsvereine.“ 2017 verfasste Frank Möller ein Schreiben an die damalige Verteidigungsministerin von der Leyen. Darin beschreibt er die Probleme der Traditionspflege in der Bundeswehr und erwähnt explizit die aus dem Hessischen stammende „Marschgruppe Hürtgenwald“ und ihren Marschgruppenführer Otto Baumann [6].

Marschieren mit Neonazis

Laut Otto Baumann möchte seine Marschgruppe im Hürtgenwald „ihren Horizont durch die Verbindung militärischen Handwerks mit militärhistorischen Exkursionen erweitern.“ So zog es die Truppe 2011 auf dem Weg zum Internationalen Hürtgenwaldmarsch auf die Wewelsburg – ein auch bei (Neo-)Nazis aus nah und fern gern besuchter Ort [7]. Bei dieser Exkursion sind u.a. die beiden Neonazis des „Freien Widerstand Kassel“ Roman Wagemanns und David Rose dabei, welche erst wenige Wochen zuvor das Kasseler Holocaustmahnmal mit rechten Parolen besprühten [8]. Ein Jahr später wurde der der nächste offene Neonazi in den Kreisen der Marschgruppe entdeckt: Michael Löbbermann war 2012 dabei. Er hegte Kontakte zum „Freien Widerstand Kassel“ und hatte einen Aufnahmeantrag bei der NPD gestellt [9].

Windhunde – alte Nazis und Neonazis

Auf dem Internationalen Hürtgenwaldmarsch 2011 ist Otto Baumanns Truppe laut eigenem Bericht erneut die stärkste Formation. Teil des Hürtgenwaldmarsches ist der obligatorische Herrenabend sowie der Besuch der Gedenkstätte für die 116. Panzerdivision der Wehrmacht, die sogenannte „Windhund-Division“. Die Veteranen und Freund*innen dieser Division pflegen bis heute die Legende, dass die Wehrmacht mit den Verbrechen der Nationalsozialisten nichts zu tun gehabt hätte. In einem Feature des Deutschlandfunk vom 13.6. 2017 wird die Gemeinderätin Andrea Volk zitiert: „Das Windhund-Mahnmal wird immer wieder genutzt. (…) Es ist heute wirklich ein Treffpunkt für Rechtsextreme und für Menschen, die unkritisch glauben, sie würden hier etwas vom Zweiten Weltkrieg sehen.“ Weiter heißt es: „Zum Netzwerk der lokalen Akteure gehören auch Reservistenverbände, die zusammen mit der Bundeswehr einmal im Jahr den sogenannten Hürtgenwaldmarsch veranstalten. Reservisten aus ganz Deutschland reisen dann an, um noch einmal durch die im Zweiten Weltkrieg so blutig umkämpfte Region zu marschieren, und zwar uniformiert.“ Pikant ist dabei mitunter, dass die organisierende örtliche Reservistenkameradschaft auf ihrem Werbebanner für die Firma Alfashirt warb. Diese Firma vertreibt T-Shirts und andere Textilien sowie Aufkleber, die in rechtsextremen Kreisen beliebte Symbole der Wehrmacht abbilden und mit Sprüchen wie : „Kameradschaft, Vaterland, Ehre, Wehrmacht“ oder „Durch Frankreich nur auf Ketten“ versehen sind.[4]

Rechtspopulistisches Grundnarrativ

Problematisch an den Veranstaltungen des „Windhund“-Vereins ist die Tatsache, dass die dort gehaltenen Reden – insbesondere diejenigen des Bundeswehrangehörigen Mario Cremer – seit Jahren dem rechtspopulistischen Grundnarrativ von „Volk versus Elite“ folgen und diesem Muster entsprechend dazu genutzt werden, Ressentiments gegen die Politik, die Wissenschaft, die Historiker und die Presse zu schüren. Laut Möller dürfte es „… kein Zufall sein, dass ausgerechnet im Jubiläumsjahr der stellvertretende Vorsitzende der Reservistenkameradschaft Hürtgenwald, Claus Höppner, gemeinsam mit dem Marschgruppenführer der in Hessen beheimateten „Marschgruppe Hürtgenwald“, Otto Baumann, und ihren Reservisten auf dem „Windhund“- Gelände Aufstellung nahmen“.

[1] Selbstverständnis der Marschgruppe

[2] https://www.fr.de/panorama/zweiter-weltkrieg-todesfabrik-schlacht-huertgenwald-13171190.html

[3] https://www.welt.de/wams_print/article4014829/Der-Blutzoll-der-Amerikaner.html

[4] http://frank-moeller.eu/ueber-mich/

https://frank-moeller.eu/wp-content/uploads/2017/11/Dok.-00_ABSCHLUSSBERICHT-Moratorium_Juni-2017.pdf

[5] https://frank-moeller.eu/huertgenwald/

[6] http://www.deutschlandfunkkultur.de/burg-wewelsburg-in-nordrhein-westfalen-die-burg-des-boesen-100.html

[7] https://www.hna.de/lokales/witzenhausen/marschgruppenchef-wusste-ermittlungen-otto-baumann-vertrat-neonazi-roman-2621616.html

[8] https://www.hna.de/lokales/witzenhausen/reservist-bestreitet-vorwurf-2524287.html

[9] https://www.hna.de/lokales/kreis-kassel/reservisten-marschgruppe-huertgenwald-wehren-sich-gegen-vorwurf-rechtsextremismus-2512316.html